A- A A+

3. Erziehung und Bildung

Erziehung und Bildung ist ein sehr großer Bereich.
Die Behindertenanwaltschaft kann aufgrund der gesetzlichen Lage nicht immer unterstützen.
Wenn Sie glauben, dass Sie oder Ihr Kind wegen ihrer Behinderung diskriminiert werden,
kontaktieren Sie uns bitte.

Kontakt zur Behindertenanwaltschaft


Beispiele von Schlichtungsverfahren

3. Erziehung und Bildung

3.1 Integration in der Schule bei Autismus

Der Vater eines 10jährigen Buben suchte wegen der äußerst schwierigen schulischen Situation seines Sohnes Unterstützung beim Behindertenanwalt. Sein Sohn, er hat eine autistische Beeinträchtigung, besuchte nach  verschiedenen Schulen in Salzburg und Deutschland zuletzt ein integratives Schulzentrum. Das Verhältnis zwischen Vater und Sohn einerseits und Schule und Lehrkörper andererseits dürfte schon seit längerer Zeit angespannt und von Irritationen gekennzeichnet gewesen sein.

Aufgrund eines Vorfalles, der auch den Gegenstand polizeilicher Erhebungen bildete, wurde der Schüler (es bestand der Verdacht, dass er einer Lehrerin mit einem Messer eine Schnittwunde, die im Klinikum genäht werden musste, zugefügt hatte) mit Bescheid des zuständigen Bezirksschulrates mit sofortiger Wirkung vom Besuch der Schule suspendiert. Seither kümmerte sich der Vater um seine schulische Fortentwicklung. Dieser Zustand bedurfte natürlich einer Änderung. Es war daher ein dringendes Ziel, die pädagogische Situation wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Dazu wurde seitens der Schulbehörde der Besuch anderer Schulen vorgeschlagen. Der Erziehungsberechtigte lehnte beide Szenarien mit der Begründung ab, dass diese für ihn keine tauglichen Mittel darstellen würden. Hinsichtlich der aktuellen Schule lag zudem die fachärztliche Aussage vor, dass ein dortiger Schulbesuch aufgrund der bisherigen Geschehnisse dem Kindeswohl abträglich sei und die bereits erzielten Entwicklungsfortschritte, wenn schon nicht zunichte gemacht, so doch zumindest in Frage gestellt würden. In einer weiteren Stellungnahme führte der Sachverständige aus, dass es aus kinderpsychologischer Sicht auszuschließen sei, dass der Schüler unter Berücksichtigung seiner Verarbeitungsschwäche gegenüber negativen Erfahrungen in diese Schule zurückkehre.

Der Behindertenanwalt ersuchte den zuständigen Amtsführenden Präsidenten des Landesschulrates zu veranlassen, dass für den Schüler ehestmöglich ein hochwertiger integrativer Unterricht in einer Schule in der Umgebung des Wohnsitzes sichergestellt werde.

In seiner Antwort legte der Landesschulrat dar, dass der Vater verschiedene Angebote für die Beschulung seines Sohnes abgelehnt hätte. Sollte noch der Wunsch des Vaters, seinen Sohn häuslich zu beschulen, realisiert werden, sei die Schulbehörde verpflichtet, den Leistungsstand des Kindes am Ende des Schuljahres zu überprüfen. Bei einem nicht angemessenen Lernfortschritt sei das Kind im darauf folgenden Schuljahr wieder einzuschulen und der Vater verpflichtet, seinen Sohn in die Schule zu schicken.

Die Behindertenanwaltschaft brachte dem Vater diese – wenig zufriedenstellende – Antwort zur Kenntnis und wies ihn auf die Möglichkeit der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gemäß
§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz hin. Jener machte daraufhin davon auch Gebrauch. Da die Organisation des häuslichen Unterrichts naturgemäß mit einer erheblichen monetären Belastung einhergeht, ersuchte der Erziehungsberechtigte die Behindertenanwaltschaft abzuklären, ob dafür eine finanzielle Zuwendung aus dem Unterstützungsfonds für Menschen mit Behinderungen in Betracht käme. Leider konnte eine solche „im Hinblick auf die Zahl der Ansuchen und die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel“ nicht gewährt werden. Es wurde jedoch empfohlen, sich wegen einer allfälligen Kostenbeteiligung an den Familienhärteausgleich des Bundesministeriums für Wirtschaft, Familie und Jugend zu wenden.

Aufgrund dieser für den Vater belastenden und zudem verfahrenen Situation berichtete der Behindertenanwalt den Vertretern der zuständigen Landesregierung in einer persönlichen E-Mail den Sachverhalt und legte nochmals die sachliche Rechtfertigung für die Ablehnung der beiden angebotenen Schulen dar. Hinsichtlich der aktuellen Schule machte er die tiefe Abneigung des Schülers und das kinderpsychiatrische Gutachten geltend, hinsichtlich der vorgeschlagenen Schule räumliche Gründe und den Umstand, dass es sich dabei um keine Regelschule handle. Er ersuchte bei der angestrebten integrativen Beschulung eine entsprechende Assistenz sicherzustellen und verwies diesbezüglich auf einen Antrag des Erziehungsberechtigten. Der Schul-besuch selbst sollte auf Wunsch des Vaters an einer von der Montessori-Pädagogik getragenen (privaten) Schule erfolgen.

 Zwischenzeitlich erfolgte eine gütliche Einigung. Einige Schnuppertage seien bereits erfolgreich verlaufen.

3.2 Aufnahme in eine Privatschule

Ein junges Mädchen mit leichter Lernbehinderung und Körperbehinderung, das auf einen Rollstuhl angewiesen ist, stand nach dem Besuch einer integrativen Volksschule vor dem Übertritt in die Sekundarstufe I. Weil es zweimal täglich kathederisiert werden muss und die Mutter dies selbst leistet, suchten die Eltern eine Schule, die nur Vormittagsunterricht anbot. Diese Schule, eine Privatschule, lehnte die Aufnahme des Mädchens mit der Begründung ab, man sei nicht barrierefrei.

Bei einer Begehung im Beisein eines einschlägigen Experten stellte sich heraus, dass zwar Stufen und Schwellen, welche mit dem Rollstuhl nicht überwunden werden konnten, vorhanden waren, diese jedoch mit einer zu installierenden Treppenraupe überwindbar gewesen wären. Die Schule lehnte vorerst die Installierung einer solchen Treppenraupe mit dem Argument ab, dass keine personellen Ressourcen für die Bedienung derselben gestellt werden könnten. Obwohl in Folge geklärt werden konnte, dass dafür eine Schulassistentin zur Verfügung gestellt werden würde, lehnte die Schule erneut ohne weitere Begründung ab.Auch bei einem folgenden Schlichtungsverfahren stellte sich heraus, dass insbesondere der Verwalter der Schule große Vorbehalte gegen die Aufnahme des behinderten Mädchens hatte, da mögliche Komplikationen gefürchtet wurden. Die Schlichtung scheiterte.

Eine mögliche Klage wegen Diskriminierung aufgrund einer Behinderung wurde erwogen. Die Kosten der Treppenraupe wären im Rahmen der Zumutbarkeitsgrenzen der Übergangs-bestimmungen des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes gelegen. Die Eltern entschließen sich jedoch – trotz bester Erfolgsaussichten – gegen eine Klagsführung vor den ordentlichen Gerichten.

3.3 Höchstdauer des Schulbesuches

Der jugendliche Schlichtungswerber fühlte sich als Schüler eines sonderpädagogischen Zentrums diskriminiert. Er durfte einen dort angebotenen Berufsvorbereitungskurs deshalb nicht weiter besuchen, weil er das gesetzlich festgelegt Höchstalter für den Schulbesuch bereits überschritten hat. Er sah dadurch seine späteren Berufschancen gefährdet.

Darauf brachte er einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß §§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ein und bevollmächtigte seine Mutter mit der Vertretung bei dem Schlichtungsgespräch.

Ergebnis der Schlichtung:
Im Rahmen des Schlichtungsgespräches konnte keine Einigung erzielt werden, da der Schlichtungspartner (zuständige Bundesministerium) auf die gesetzlichen Bestimmungen verwies, wonach eine Höchstdauer des Schulbesuches nicht überschritten werden darf (§ 32 SchUG).

3.4 Zugang zum Fachhochschulstudium

Eine Frau mit sozial/emotionaler Behinderung wandte sich mit der Bitte um Unterstützung an die Behindertenanwaltschaft.Sie arbeitete seit mehreren Jahren im Sozialbereich und hatte sich erfolglos um einen Studienplatz (Bachelorstudium Soziale Arbeit) an einer österreichischen Fach-hochschule beworben. In ihrer Bewerbung teilte sie mit, eine Behinderung zu haben und erhielt zunächst eine Absage.

Obwohl eine nähere Begründung der Ablehnung fehlte, vermutete die Klientin, dass sie den Studienplatz aufgrund ihrer Behinderung nicht erhalten habe und fühlte sich diskriminiert. Auf Empfehlung der Behindertenanwaltschaft brachte sie beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gem. §§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungs-gesetz ein.

Weiters bewarb sie sich um einen Studienplatz an einer Fachhochschule im benachbarten Ausland, welche einen ähnlichen Studiengang anbietet. Diese Fachhochschule sagte ihr einen Studienplatz zu, wenn sie die Zulassung zum Studium an einer gleichwertigen österreichischen Fachhochschule vorweisen könne, was der Klientin aufgrund der Ablehnung durch die österreichische Fachhochschule nicht möglich war. Somit konnte sie weder in Österreich noch im Ausland mit dem gewünschten Studium beginnen.

Mit Zustimmung der Klientin nahm die Behindertenanwaltschaft Kontakt zur Antidiskriminierungs-stelle des Bundeslandes auf, in dem sich die Fachhochschule befindet. Nach deren Intervention bestätigte die Fachhochschule, dass die Klientin sich dem Bewerbungsverfahren unterzogen und dieses bestanden habe, dass der Klientin jedoch derzeit auf Grund der Reihung und der beschränkten Anzahl an Studienplätzen kein Studienplatz angeboten werden könne.

Diese Bestätigung war für die Fachhochschule im Ausland ausreichend, sodass die Klientin dort nun einen Studienplatz erhalten konnte. Da die Angelegenheit zu ihrer Zufriedenheit gelöst werden konnte, hat die Klientin den Schlichtungsantrag zurückgezogen.

3.5 Studienzulassung hörbehinderter Personen an Universitäten

Im Rahmen einer Aufnahmeprüfung für ein Universitätsstudium fühlt sich ein Mann im Zusammenhang mit seiner Sinnesbehinderung diskriminiert. Die Behinderung wirke sich in der konkreten Prüfungssituation, einer dicht besetzen großen Halle, negativ auf die Konzentrationsfähigkeit und damit auf die maßgebliche Prüfungsleistung aus.

Der Mann wendet sich daraufhin an die Behindertenanwaltschaft, welche ihm die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß §§ 14 Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz empfiehlt, und ihn wunschgemäß als Vertrauensperson zur Schlichtung begleitet. Im Schlichtungsgespräch kann vereinbart werden, dass der Klient für einen neuerlichen Prüfungsantritt eine bessere Unterstützung, u.a. einen abgeschirmten Prüfungsraum, erhalten könne. Ferner verpflichtet sich die Universität, den Aufnahmetest unter besonderer Berücksichtigung von Behinderungen wissenschaftlich zu bearbeiten, um zukünftig mögliche Diskriminierungen in den Aufgabenstellungen zu vermeiden.

3.6 Kommunikation mit hörbehinderten BewerberInnen um einen Studienplatz

Eine hörbeeinträchtigte Person bewarb sich an einer Hochschule um einen Studienplatz im Lehrgang Ernährungswissenschaften. Dieses Studium würde nach Ansicht des Klienten eine gute Ergänzung zu seinem Unternehmen im Bereich des Freizeitsports darstellen.

Da die Anzahl der Studienplätze begrenzt war, führte die Hochschule Bewerbungsgespräche durch, im Zuge dessen sich der Klient diskriminiert fühlte. Gegenüber der Behindertenanwaltschaft gab er an, dass infolge der Hörbeeinträchtigung Verständnisprobleme auftraten, welche seiner Ansicht nach zur Ablehnung der Bewerbung führten.

Nach Einschätzung der Behindertenanwaltschaft könnte in der dargestellten Situation durchaus eine Diskriminierung im Zusammenhang mit der Behinderung vorliegen, wenn das gewählte Bewerbungsverfahren Personen mit Hörbeeinträchtigung in ungerechtfertigter Weise benachteiligen könnte.

Aus diesen Erwägungen heraus wurde dem Klienten die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens empfohlen. Im Zuge der Vorbereitung des Schlichtungsverfahrens wurde auch die Ombudsstelle für Studierende zur Abklärung allfälliger studienrechtlicher Fragestellungen kontaktiert. Die stellvertretende Leiterin der Ombudsstelle nahm ebenso wie die Behindertenanwaltschaft als Vertrauensperson am Schlichtungsverfahren teil.

Das Schlichtungsverfahren bot dem Klienten die Möglichkeit, seinen Standpunkt gegenüber dem Schlichtungspartner darzustellen und zu begründen. Insbesondere die mündliche Bewerbungssituation wurde vom Klienten als benachteiligend empfunden.

Die Schlichtungspartnerin begründete den Modus des mündlichen Bewerbungsgespräches mit dem Erfordernis von Ausdrucks- und Empathiefähigkeit späterer AbsolventInnen. Ferner wurde angegeben, dass im Laufe des Bewerbungsgespräches immer nachgefragt wurde, ob Verständnisschwierigkeiten bestünden. Darüber hinaus wurde zusätzlich Zeit gewährt, die Antworten zu überdenken.

Im weiteren Verlauf des Schlichtungsgespräches stellte sich auch für den Schlichtungswerber heraus, dass mangelnde inhaltliche Kenntnisse in Bezug auf die gestell­ten Fragen die Ursache der Ablehnung der Bewerbung waren.

Schließlich kann das Schlichtungsverfahren insofern als erfolgreich bezeichnet werden, als dass der Schlichtungswerber die Gelegenheit hatte, seine Wahrnehmungen und Bedenken hinsichtlich einer möglichen Diskriminierung gegenüber den Verantwortlichen zu kommunizieren, während die Schlichtungspartnerin ihre Entscheidung transparent und für den Schlichtungswerber einsichtig zu begründen vermochte.

Ferner sicherte die Schlichtungspartnerin zu, noch stärker auf Studierende mit Behin­derungen im Studium sowie im Rahmen von Bewerbungsverfahren Rücksicht zu nehmen – etwa dass Fragen den Kandidaten und Kandidatinnen auch schriftlich vorgelegt werden.