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5. Bauen und Wohnen

Es gibt Regeln und Vorschriften, die eingehalten werden müssen,
damit Wohnungen und Gebäude für alle Menschen gut nutzbar sind.
Wenn Sie glauben, dass ein Gebäude oder eine Wohnung für Sie nicht nutzbar ist,
kontaktieren Sie uns bitte.

Kontakt zur Behindertenanwaltschaft


Beispiele von Schlichtungsverfahren

5. Bauen und Wohnen

5.1 Barrierefreie Aufzugsanlage im Wohngebäude

Ein Mann mit einer starken Sehbehinderung wandte sich im Zusammenhang mit seiner kürzlich bezogenen Mietwohnung mit dem Ersuchen um Unterstützung an die Behindertenanwaltschaft.

Der Aufzug der Wohnanlage war mit einem Touchscreen-Bedienfeld ausgestattet, sodass die Bedienung einschließlich der Ruftasten ohne taktiles Feedback rein visuell erfolgte. Dies stellte aufgrund der Sehbehinderung eine Barriere für den Klienten dar, sodass er auf Anraten der Behindertenanwaltschaft ein Schlichtungsverfahren einbrachte.

Im Schlichtungsverfahren, das von der Behindertenanwaltschaft als Vertrauensperson begleitet wurde, brachte der Schlichtungswerber vor, den Aufzug barrierefrei nutzen zu wollen.

Der Schlichtungspartner äußerte zunächst in Anbetracht der mit dem Umbau verbundenen Kosten Bedenken, sodass in weiterer Folge ein Kostenvoranschlag einge­holt wurde, demzufolge der Umbau der Aufzugskabine auf ein Bedienfeld, welches dem 2-Sinne Prinzip – visuelle und taktile Kennzeichnung der Tasten – entspricht, etwa € 2.300,-- kosten würde.

Obwohl der Kostenvoranschlag die Ruftasten nicht beinhaltete, sicherte der Schlichtungspartner den konsequenten Umbau der Aufzugsanlage zu.

Zwischenzeitlich liegt der Behindertenanwaltschaft die Information vor, dass das Bedienfeld der Aufzugskabine barrierefrei umgestaltet wurde. Der Umbau der Ruftasten ist zur Fertigstellung dieses Berichtes noch ausständig.

5.2 Außerbetriebnahme des Liftes

Ein stark gehbehinderter älterer Mann mit einem Grad der Behinderung 80vH wendet sich mit der Bitte um Unterstützung an die Behindertenanwaltschaft.

Er wohnt seit dem Jahr 1940 in einer Mietwohnung im dritten Stock eines Wiener Zinshauses. Das Wohnhaus verfügt seit dem Jahr 1945 über einen Personenaufzug. Im Zuge einer Novelle des Wiener Aufzugsgesetzes und folgender Inspektion des Technischen Überwachungsvereines (TÜV) wird der Hauseigentümer im Jahr 2007 aufgefordert, den Aufzug technisch zu sanieren und dafür wird eine Frist von fünf Jahren festgesetzt. Der Hauseigentümer lässt diese Frist ungenutzt verstreichen und teilt den MieterInnen nach den fünf Jahren mit, dass die Aufzugsanlage aus sicherheitstechnischen Gründen außer Betrieb genommen werden müsse. Seither ist der Aufzug nicht mehr benutzbar.

Nach Beratung durch den Behindertenanwalt leitet der Mieter gegen den Hauseigentümer ein Schlichtungsverfahren beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wegen mittelbarer Diskriminierung ein. Dieses scheitert. Der Hauseigentümer bringt insbesondere als Hauptargument vor, das Dachgeschoß seit Jahren ausbauen zu wollen. Eine Liftsanierung wäre aus diesem Grund unwirtschaftlich.

Eine darauffolgende Klage bei einem Bezirksgericht in Wien endet mit einem für die Behindertenanwaltschaft überraschenden Urteil: Das Bezirksgericht vertritt darin die Auffassung, das Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz sei nicht anwendbar, da das Wohnrecht bzw. die Versorgung mit Wohnungen nicht unter den Anwendungsbereich des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes falle. Gegen dieses Urteil wurde Berufung eingebracht, die jedoch nicht erfolgreich war.

5.3 Benützung eines Gehweges zum Wohnhaus

Die Eigentümerin einer Wohnung in Linz brachte in ihrem Schlichtungsantrag vor, dass ihr die gefahrlose Benützung des Gehweges, der das Wohnhaus mit der Straße verbindet, nicht möglich sei, da der Asphalt des Weges tiefe Löcher aufweise. Außerdem sei die ca. 25 cm hohe Stufe, die den Gehweg mit dem Eingang verbindet, nicht barrierefrei. Die Verwaltung des Gebäudes (z.B. Sanierungsarbeiten, Schneeräumung) werde von einer Genossenschaft übernommen.

Im Rahmen des Schlichtungsgespräches konnte eine Einigung erzielt werden, da der Schlichtungspartner (Genossenschaft) den Gehweg asphaltierte und zugleich eine Begradigung der Stufe vornahm, sodass der Zugang zum Eingang barrierefrei ist.

5.4 Abschluss eines Mietvertrages

Eine Frau mit psychischer Beeinträchtigung wandte sich im Berichtszeitraum an die Behindertenanwaltschaft. Vor einigen Jahren hatte sie bei einer gemeinnützigen Baugenossenschaft eine Wohnung gemietet. Kurz nachdem sie die Wohnung bezogen hatte, setzte sie entgegen ärztlicher Anordnung ihre Medikamente ab und erlitt einen psychotischen Schub. Im Zuge dessen warf sie eines Nachts Gegenstände aus dem Fenster.

Aufgrund dieses Vorfalles wurde für die Klientin ein Sachwalter bestellt. Der Sachwalter kündigte gegen den Willen der Klientin den Mietvertrag für die Wohnung. Daraufhin übersiedelte sie in eine betreute Wohngemeinschaft. Nach dem Umzug in die Wohngemeinschaft nahm die Klientin ihre Medikamente wieder ein – wie vom behandelnden Arzt verordnet. Bereits einige Monate später war sie medikamentös richtig eingestellt, was die Aufhebung der Sachwalterschaft zur Folge hatte.

Daraufhin beabsichtigte die Klientin erneut, eine Wohnung der Baugenossenschaft zu mieten. Aufgrund ihres ungebührlichen Verhaltens vor einigen Jahren wollte die Baugenossenschaft der Nutzung einer Wohnung durch die Klientin jedoch nicht zustimmen.Die Klientin bemühte sich auch um Zuweisung einer Gemeindewohnung, welche von der Baugenossenschaft verwaltet wurden. Nach Auffassung der Klientin wurde ihr aufgrund ihres ungebührlichen Verhaltens vor mehreren Jahren auch keine Gemeindewohnung zugewiesen.

Die Klientin fühlte sich aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert und beantragte ein Schlichtungsverfahren gemäß §§ 14 ff des Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes. Dabei wurde sie von einer Mitarbeiterin der Behindertenanwaltschaft begleitet und es konnte eine Einigung erzielt werden.

5.5 Kündigung des Mietvertrages

Eines Tages meldete sich die Mutter eines behinderten jungen Mannes und berichtete, dass die Vermietungsgesellschaft vorhabe, die Wohnung ihres Sohnes zwangsweise räumen zu lassen. Für den Sohn sei die Wohnung im dritten Stockwerk ohne Aufzug aufgrund seiner einseitigen Fußamputation nicht optimal – weil nicht barrierefrei –, doch dass er nun nach drei vergeblichen Versuchen eines Wohnungstausches seine Wohnung vollständig verlieren sollte, sei eine bewusste Diskriminierung seiner Person als behinderter Mensch. Die Kündigung des Mietvertrages habe ihr Sohn nur beantragt und unterschrieben, um in eine bessere Wohnung im ersten Stockwerk einziehen zu dürfen. Die Vermietungsgesellschaft habe alle Wohnungen bereits weitervermietet, daher stehe ihr Sohn ohne Wohnung da. Zusätzlich seien zwei Mitarbeiter der Vermietungs-gesellschaft überfallsartig in seine gegenwärtige Wohnung eingedrungen, hätten Fotos gemacht und den Sohn gezwungen, einen Wäscheständer mit Wäsche der Nachbarin aus dem Hausflur in seine Wohnung zu verbringen. Dieser Vorfall werde ihrem Sohn nun vorgehalten; im Falle einer weiteren Vermietung habe er sich einer Assistenzfirma zu unterwerfen, die ihm beibringen solle, eine Wohnung zu führen. Der Klient übermittelte auch ein Schreiben und mehrere Fotos der Wohnung.

Auch die Schlichtungsverhandlung zwischen beiden Parteien erwies sich mehr als schwierig – zum eigentlichen Verhaltungsgegenstand, einer neuen Wohnung für den jungen Mann, kam man in den zwei Stunden kaum: Der Schlichtungswerber verlangte eine Entschuldigung für den Vorfall und das Eingeständnis, ihm Abbildungen von Wohnungen anderer MieterInnen untergeschoben zu haben, seine Mutter forderte eine schriftliche Bestätigung für termingerechte Mietzinszahlungen und wollte das Verhalten der Vermietungsfirma gerichtlich anzeigen. Die Vertretung der Vermietungs-gesellschaft bestand ihrerseits auf der Räumung der Wohnung und sagte die Neuvermietung einer Wohnung mit dem Schlichtungswerber als Mieter nur gegenüber der Assistenzfirma zu, falls diese den Schlichtungswerber in ein Unterstützungsprogramm aufnehme.

Ein Scheitern der Schlichtungsverhandlung war zwar verhindert, aber in weiterer Folge kam es zu unüberwindlichen Schwierigkeiten: Die Assistenzfirma nahm den jungen Mann doch nicht – wie in einem Schreiben der Behindertenanwaltschaft angeregt – in ein Unterstützungsprogramm auf, sondern lehnte wider Erwarten eine Betreuung vehement ab.

Kurz darauf brach der junge Mann den Kontakt zur Behindertenanwaltschaft unter Hinweis darauf, dass er in Zukunft von einer kleinen lokalen Behindertenhilfsorganisation betreut werde, ab.