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Was heißt hier eigentlich Inklusion?

5. Mai 2023 - Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen

Inklusion bedeutet, dass alle Menschen gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Um Inklusion zu ermöglichen, muss die Politik Voraussetzungen für entsprechende gesellschaftliche Strukturen schaffen. Anlässlich der Europäischen Protesttages für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen liegt die Frage nahe, welche Bedingungen für die umfassende Inklusion aus Sicht der Menschen mit Behinderungen in Österreich erforderlich sind.

Grundlegend wichtig ist dafür ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung. Neben dem Erwerb und der Entwicklung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, verbessert ein selbstbestimmter Bildungszugang auch die Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen und am sozialen Leben teilzuhaben. Ein höherer Bildungsabschluss eröffnet nicht nur erheblich bessere Erfolgsaussichten im Berufsleben, er kann auch der Sackgasse „Arbeitsunfähigkeit“ entgegenwirken. Viele Personen mit Behinderungen werden aufgrund fehlender Abschlüsse sehr rasch und in jungem Alter einer Begutachtung ausgesetzt, bei der ihre Arbeitsfähigkeit geprüft wird. Sollte bei dieser Begutachtung vermeintliche „Arbeitsunfähigkeit“ festgestellt werden, ist die Folge meist eine Beschäftigung in einer tagesstrukturierenden Maßnahme.

Eine umfassende Teilhabe von Menschen mit Behinderungen setzt Chancengleichheit beim Zugang zum Arbeitsmarkt sowie einem Beruf, der ein existenzsicherndes Einkommen und eine entsprechende sozialere Absicherung gewährleistet, voraus. Neben der sachlichen Notwendigkeit eines inklusiven Arbeitsmarktes, die angesichts des in Österreich herrschenden Arbeitskräftemangels besteht, sind auch aus menschenrechtlichen Gründen Maßnahmen für einen gleichberechtigen Arbeitsmarktzugang von Menschen mit Behinderungen überfällig und dringend angezeigt.

Derzeit erhalten in Österreich mehr als 25.000 Menschen mit Behinderungen, die nach sozialversicherungsrechtliche Vorschriften als „arbeitsunfähig“ gelten, und in tagesstrukturierenden Maßnahmen beschäftigt sind, für Ihre Arbeit lediglich ein geringes Taschengeld und verfügen über keine eigenständige Kranken- und Pensionsversicherung.

„Dieser Zustand ist aus menschrechtlicher Sicht unhaltbar. Bereits im Rahmen der Staatenprüfung im Jahr 2013 hat der UN-Fachausschuss in Genf seine Besorgnis über die Segregation und Benachteiligung von in Tagesstrukturen beschäftigten Menschen geäußert. Seitdem hat sich daran nichts Wesentliches geändert“, so Behindertenanwältin Christine Steger.

Eine Maßnahme, die sowohl eine selbstbestimmte Lebensführung in Privatbereich als auch eine Teilhabe am Berufsleben ermöglicht, ist die Bereitstellung persönlicher Assistenz.

„Grundlage einer gelingenden Inklusion ist die bedarfsgerechte und niederschwellige Verfügbarkeit von Assistenz und Unterstützungsleistungen. Es darf dabei keinen Unterschied machen, ob diese im beruflichen oder privaten Bereich benötigt werden. Ebenso unerheblich muss es sein, wo die Person mit Assistenzbedarf lebt, welche Art der Einschränkung und welchen Pflegebedarf diese hat“, führt Christine Steger aus. „Das soziale Modell von Behinderungen betrachtet eben den Menschen in seiner Ganzheit und fokussiert nicht nur auf vermeintliche Defizite oder einen medizinischen Pflegebedarf.“

Eine weitere Grundvoraussetzung für Inklusion ist umfassende Barrierefreiheit. Dabei ist bauliche Barrierefreiheit nur ein Baustein im Gesamtgefüge. So können etwa Internetseiten durch entsprechende Gestaltung für blinde Menschen nutzbar gemacht oder das zur Verfügung stellen von Informationen, Inhalten sowie Bildungsangeboten in leichter Sprache für Menschen mit Lernschwierigkeiten Barrieren abbauen und so Teilhabe erhöhen.

Für eine nachhaltige Inklusion ist, neben den bereits ausgeführten Bedingungen, auch die Stärkung der Partizipation von Menschen mit Behinderungen von zentraler Bedeutung. Menschen mit Behinderungen müssen selbstverständlich in alle politischen Entscheidung, die sie betreffen, maßgeblich eingebunden sein. Es bedarf daneben einer Stärkung der entsprechenden Interessenvertretungen und dem Ausbau von trägerunabhängiger Peer-Beratung.

„Ich fordere alle politischen Entscheidungsträger: innen dazu auf, mutige Schritte in Richtung einer Inklusiven Gesellschaft für die etwa 1,4 Millionen Menschen mit Behinderungen in Österreich zu setzen. Es ist längst an der Zeit“, so Steger.

Weitere Informationen dazu können Sie der Presseaussendung entnehmen:

Presseaussendung