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4. Konsumentenschutz

Wenn man eine Behinderung hat,
darf man wegen dieser Behinderung nicht diskriminiert werden.
Diskriminiert werden heißt zu Beispiel,
dass man ein Spital wegen Barrieren nicht betreten kann.
Wenn Sie ein Produkt kaufen möchten,
oder eine Dienstleistung in Anspruch nehmen möchten,
dürfen Sie aufgrund einer Behinderung nicht schlechter behandelt werden.

Kontakt zur Behindertenanwaltschaft

Wenn Sie der Meinung sind, dass Sie Ärzte nicht richtig behandelt haben,
können Sie die Patientenanwaltschaft kontaktieren.

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Beispiele von Schlichtungsverfahren

4.1 Konsumentenschutz/ Freizeit und Kultur

4.1.1 Ballbesuch einer Rollstuhlfahrerin

Drei Frauen, wovon eine auf einen Rollstuhl angewiesen war, wollten im Februar 2010 gemeinsam einen Ball in Wien besuchen.

Sie erwarben daher Tickets im Internet, wobei Zusatzinformationen für Menschen mit Behinderungen nicht vorhanden waren. Als die Frauen zur Veranstaltung kamen, wurde ihnen der Einlass verwehrt. Der Veranstaltungsorganisator teilte mit, dass eine Teilnahme von körperbehinderten Personen mangels gesicherter Notausgänge aus Sicherheitsgründen nicht zulässig sei. Um dennoch ein Entgegenkommen zu zeigen, wurde den Betroffenen nach Rückerstattung des Ticketpreises eingeräumt, sich eine Stunde unter Aufsicht der Sicherheitswache auf dem Ball aufhalten zu können.

Bei dem infolgedessen beimSozialministeriumservice durchgeführten Schlichtungsverfahren gemäß §§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz konnte eine Einigung zwischen den SchlichtungspartnerInnen erzielt werden.

Der Veranstaltungsorganisator entschuldigte sich bei den Ballbesucherinnen und sicherte zu, sich mit Firmen und Behörden ins Einvernehmen zu setzen, um zukünftig eine barrierefreie Teilnahme von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten. Zudem erhielten die Betroffenen Freikarten zum Eigengebrauch für sämtliche kommende Veranstaltungen des Veranstaltungsorganisators.

4.1.2 Rollstuhlplätze bei einer Großveranstaltung

Eine Rollstuhlfahrerin wollte eine Großveranstaltung besuchen. In einer schriftlichen Anfrage an den Veranstalter erkundigte sich die Frau nach Rollstuhlplätzen und deren Preise. Vom Veranstalter wurde ihr mitgeteilt, dass lediglich zwei Rollstuhlplätze vorhanden und diese bereits belegt seien. Auf ihre Frage, ob nicht in einer anderen Kategorie Rollstuhlplätze umgewidmet werden könnten, erhielt die Betroffene keine Antwort.

Darauf brachte sie einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß §§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ein.

Im Rahmen des Schlichtungsgespräches konnte eine positive Einigung erzielt werden, da sich der Schlichtungspartner für die Situation und die schlechte Kommunikation entschuldigte. Auch wurde ihr eine Karte für eine gleichwertige Veranstaltung angeboten.

4.1.3 Bauliche Barriere bei Theaterbesuch

Anlässlich eines Theaterbesuches stellte ein auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesener Mann fest, dass die Rollstuhlsitzplätze in dem besuchten Theater nur sehr eingeschränkte bis gar keine Sicht auf die Bühne boten. Außerdem war es Rollstuhlfahrern aus Brandschutzgründen nicht gestattet, sich im 1. Stock beim Buffet aufzuhalten. Andererseits war es aber auch nicht gestattet, ein Getränk in einem anderen Gebäudebereich zu konsumieren.

Der Theaterbesucher brachte einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß §§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz ein.

Im Rahmen des Schlichtungsgespräches konnte folgende Einigung erzielt werden:
Hinsichtlich Getränkekonsumation gilt die für den Antragsteller akzeptable Regelung, dass in den Pausen im Foyerbereich Getränke angeboten und konsumiert werden können. Vor der Vorstellung besteht diese Möglichkeit jedoch nicht. Weiters wurde das Angebot an Plätzen für RollstuhlfahrerInnen wie folgt erweitert: Ein Platz mit sehr guter Sicht und demzufolge in der gehobenen Preiskategorie wird als Rollstuhlplatz angeboten.

4.1.4 Ermäßigter Eintritt für blinde Personen im Museum

Eine blinde Frau wollte gemeinsam mit einem blinden Freund und einer persönlichen Assistentin ein Museum besuchen. Als sie sich an der Kassa erkundigte, ob es für blinde Personen ermäßigte Karten gäbe, wurde ihr mitgeteilt, dass dies nicht der Fall sei. Ermäßigte Karten gäbe es nur für Menschen, die auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen seien und für deren Begleitpersonen. Die Klientin wandte ein, dass gerade blinde Menschen im Museum auf die Unterstützung einer sehenden Begleitperson angewiesen seien, die ihnen die Ausstellungsstücke beschreibe, da es verboten sei, diese zu berühren.

Für die Betroffene war die unterschiedliche Preisgestaltung der Eintrittskarten für blinde Personen und Personen, die auf die Benützung eines Rollstuhls angewiesen sind, nicht nachvollziehbar. Sie fühlte sich durch die Vorgehensweise des Museums aufgrund ihrer Behinderung diskriminiert und brachte auf Anraten der Behindertenanwaltschaft beim Sozialministeriumservice einen Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens gemäß §§ 14 ff Bundes- Behindertengleichstellungsgesetz ein.

Der Schlichtungspartner wies im Schlichtungsgespräch, bei dem sie durch die Behindertenanwaltschaft unterstützt wurde, darauf hin, dass es blinden Menschen seit jeher erlaubt sei, die Ausstellungsstücke im Museum zu berühren. Weiters wurde die Möglichkeit erörtert, die MitarbeiterInnen des Museums durch gezielte Maßnahmen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren.

Der Schlichtungswerberin wurde für sich und ihren blinden Freund eine „zwei für eins“-Karte zur Verfügung gestellt. Dabei bezahlt eine Person den Eintritt, die Zweite darf das Museum gratis besuchen. Weiters sicherte der Schlichtungspartner zu, firmenintern Gespräche über die Preisgestaltung von Eintrittskarten für Menschen mit Behinderungen und deren Begleitpersonen zu führen. Die Schlichtungswerberin war mit diesem Angebot zufrieden, sodass das Schlichtungsverfahren mit dieser Einigung endete.

4.1.5 Öffentliche Veranstaltung mit Gebärdensprachdolmetsch

Der Schlichtungswerber hat an einer für jedermann zugänglichen Veranstaltung teilgenommen. Entgegen dem Informationsblatt "Gesundheitsinformation für alle!" war es dem Schlichtungswerber mangels Gebärdensprachdolmetschung nicht möglich gewesen dem Vortrag, abgesehen von der dort vorgeführten  Power-Point-Präsentation, zu folgen.

Der Schlichtungswerber fühlte sich dadurch aufgrund seiner Behinderung benachteiligt und brachte einen Schlichtungsantrag beim Bundessozialamt ein.

Mangels finanzieller Mittel seitens der Schlichtungspartnerin konnte im Rahmen des Schlichtungsverfahrens keine Einigung erzielt werden.

4.1.6 Teilnahme an einem Freizeitturnier mit Signalhund

Unmittelbar nach Beginn dieses Jahres meldete sich eine sportbegeisterte Frau bei der Behindertenanwaltschaft und ersuchte um Hilfe, da sie vor einem ernsten Problem stand: Sie sei Mitglied der Olympia-Mannschaft Österreichs, mehrfache Medaillengewinnerin und eine Hoffnungsträgerin für Österreich in einer Sportdisziplin, zudem jedoch gehörlos und sehbehindert, daher auf einen sogenannten Signalführhund angewiesen, wenn sie sich sicher in der Öffentlichkeit bewegen wolle. 

Zu ihrem Entsetzen habe sie kurzfristig erfahren, dass ein wichtiges Turnier, bei dem es auch um Punkte für die Teilnahme an der bevorstehenden Weltmeisterschaft dieser Sportart ging, in einer Sporthalle angesetzt wurde, die sie nach verbalen Auseinandersetzungen mit dem Betreiber und dem Personal nun fürchte, jemals wieder betreten zu dürfen.

Fast eineinhalb Jahre zuvor, im Jahr 2010 war sie, ebenfalls aktenkundig bei der Behindertenanwaltschaft, aufgrund der Begleitung durch den Signalhund – der damals noch die Ausbildungsprüfung noch nicht abgelegt hatte und deshalb nicht im Behindertenpass eingetragen war – nach lauten Diskussionen kaum in die Sporthalle eingelassen worden. Als ein verantwortlicher Manager den Hund schließlich in der Ecke liegend entdeckte – während sie mit VereinskameradInnen trainierte – war von ihr verlangt worden, den Hund Ende Oktober draußen vor der Eingangstür auf das Ende ihres Aufenthalts in der Halle warten zu lassen. Die Anwesenheit von Tieren sei laut Hausordnung in der gesamten Halle ausnahmslos untersagt, hieß es damals als Begründung.

 Nach einer Beratung durch die Behindertenanwaltschaft trug die Klientin ihrerseits den Sachverhalt dem Vorstand ihres Sportverbandes vor: Als Ausrichter des Turniers war der Sportverband unmittelbar der Vertragspartner des Hallenbetreibers. Das bedeutete, dass nur der Sportverband ein erneutes diskriminierendes Verhalten der HallenmitarbeiterInnen gegen eine Teilnehmerin des Wettkampfes als Vertragsverstoß rechtlich geltend machen und auch im Turnierergebnis bewerten konnte.

Am Turniertag erlebte die Klientin eine ungewohnte, erfreuliche Überraschung: Für ihren treuen Begleiter war eigens eine Ruhezone mit Wasser und Leckerli eingerichtet worden und mehrere MitarbeiterInnen boten an, dem Hund Aufmerksamkeit zu schenken, damit sie ohne Sorge unbeschwert am Wettkampf teilhaben könne.

Am Turniertag erlebte die Klientin eine ungewohnte, erfreuliche Überraschung: Für ihren treuen Begleiter war eigens eine Ruhezone mit Wasser und Leckerli eingerichtet worden und mehrere MitarbeiterInnen boten an, dem Hund Aufmerksamkeit zu schenken, damit sie ohne Sorge unbeschwert am Wettkampf teilhaben könne.

Wenige Tage später bedankt sich die Klientin bei der Behindertenanwaltschaft für die rasche, wirkungsvolle Unterstützung, die ihr sportlich eine große Hilfe gewesen sei.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit gelte die Hausordnung dieses Jahr unverändert ebenfalls. Sollte sie deshalb den Hund im Januar im Schnee stehen lassen müssen, werde sie nicht am Turnierwettkampf in der Halle teilnehmen, obwohl dies gleichzeitig bedeuten würde, keine Teilnahmeberechtigung bei der Weltmeisterschaft erhalten zu können. Während des Turniers werde über die letzten Punkte und dadurch über die endgültige Nominierung als Nationalmannschaftsspielerin entschieden. Aufgrund des nahen Turniertermins wird dem veranstaltenden Sportverband auf-grund der Diskriminierung der Klientin – einem Mitglied mit Behinderung – nicht die Beantragung eines Schlichtungsverfahren gemäß §§ 14f. Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz (BGStG) nahegelegt, sondern der Behindertenanwalt interveniert schriftlich beim Betreiber der Spielstätte und klärt diesen auf kurzem Wege über die Auswirkungen des seit dem Jahr 2006 geltenden Bundes-Behindertengleichstellungsgesetzes auf seine unternehmerische Freiheit als Betreiber einer öffentlich zugänglichen Sporthalle auf. Ausdrücklich stellte der Behindertenanwalt klar, dass vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen im Behindertenpass eingetragene Führhunde keine Tiere im Sinne der Hausordnung, sondern Hilfsmittel zum Ausgleich behinderungsbedingter Einschränkungen der Betroffenen sind, deren Mitnahme in eine öffentlich zugängliche Sporthalle uneingeschränkt zu gestatten sei. Der Betreiber der Sporthalle berichtete der Behindertenanwaltschaft unverzüglich zurück, sich gemäß der Gesetzeslage sowie der sportlichen Fairness verhalten zu wollen.

4.1.7 Teilnahme an einer Rafting-Tour

Dem Schlichtungswerber wurde von einem Veranstalter die Mitnahme an einer Rafting-Tour mit dem Hinweis auf seine Sehbehinderung untersagt. Durch diese Vorgangsweise fühlte sich der Schlichtungswerber diskriminiert und stellte daher einen Antrag auf Einleitung eines Schlichtungsverfahrens gem. §§ 14 ff BGStG.

Die rechtsfreundliche Vertretung des Schlichtungspartners nahm an dem anberaumten Schlichtungsgespräch mit dem Hinweis, da es unter sicherheitsrechtlichen Aspekten (erhöhtes Gefahrenpotential, Haftungsfragen) sachlich gerechtfertigt ist, dem Schlichtungswerber die Teilnahme an einer Rafting-Tour zu verweigern, nicht teil.

4.1.8 Diskriminierung aufgrund von Beschallung mit Hintergrundmusik

An die Behindertenanwaltschaft wurde eine Reihe von Beschwerden mehrerer hörbehinderter Personen aus Oberösterreich herangetragen, die sich durch die Hintergrundmusik in Einkaufszentren und Einzelhandelsgeschäften beeinträchtigt fühlten.

Sie führten aus, dass es ihnen aufgrund dieser Beschallung nicht bzw. nur unter großer Mühe möglich wäre, mit dem Verkaufspersonal und den Begleitpersonen zu kommunizieren. Die BeschwerdeführerInnen erachteten sich dadurch diskriminiert, wie die Behindertenanwaltschaft feststellte auch zu Recht.

Hintergrundmusik vermindert die Verständlichkeit des gesprochenen Wortes. Wo diese läuft, können Menschen mit Hörbehinderung nur erschwert oder gar nicht mehr kommunizieren. Dazu kommen Orientierungsprobleme, denn der Orientierungssinn sitzt im Ohr. Es handelt sich daher um eine Barriere (siehe www.hoerstadt.at). Dies gilt insbesondere für Menschen mit analogen Festbetragshörgeräten, durch die Hintergrundgeräusche oder andere Störgeräusche verstärkt werden, nicht aber die Sprache des Gesprächspartners oder der Gesprächspartnerin.

Messungen einer Initiative in Linz ergaben, dass der durchschnittliche – vor allem durch Hintergrundmusik verursachte – Lärmpegel in den Einkaufszentren und Handelsgeschäften bei 77 Dezibel liegt. Um eine Schädigung des Gehörs zu vermeiden, sollte die Exposition der ArbeitnehmerInnen den Auslösewert für gehörgefährdenden Lärm von 80 Dezibel nicht überschreiten. In der Verordnung über Lärm-Vibrationen (VOLV) ist wiederum als Grenzwert der Lärmexposition für Räume, in denen einfache Bürotätigkeiten oder vergleichbare Tätigkeiten verrichtet werden, mit maximal 65 Dezibel festgelegt.

Mit Unterstützung der Behindertenanwaltschaft wurden daher in Folge sechs Schlichtungsverfahren gemäß §§ 14 ff Bundes-Behindertengleichstellungsgesetz gegen Filialen mehrerer Ketten unterschiedlicher Branchen, wie etwa Lebensmittel, Parfümerie, Möbelhandel, Textil- und Elektrohandel, durchgeführt.

Erfreulich war, dass sämtliche beteiligte Unternehmen sich auf das Schlichtungsverfahren einließen und auch während der Verfahren eine grundsätzlich konstruktive Haltung einnahmen. Auf Unternehmensseite waren dabei sowohl FilialleiterInnen bzw. GeschäftsführerInnen als auch VertreterInnen aus den Konzernzentralen vertreten. Wiederholt wurde von diesen darauf hingewiesen, dass die Dezibelgrenzen des ArbeitnehmerInnenschutzes jedenfalls beachtet würden und eine Belästigung von KundInnen oder gar eine Diskriminierung von Menschen mit Hörbehinderung weder beabsichtigt noch bislang für möglich gehalten worden wäre. Des Weiteren wurde dargelegt, dass entsprechende Musikbeschallung bzw. Werbedurchsagen konzernweit vorgegeben wären. In den Schlichtungsverfahren konnte von den BeschwerdeführerInnen nachvollziehbar dargestellt werden, dass für Menschen mit Hörbehinderungen, die Hörapparate verwenden, durch diese Musik eine Geräuschkulisse entsteht, welche die Kommunikation erheblich erschwert.

Kein einziges Unternehmen, das sich am Schlichtungsverfahren beteiligte, äußerte freilich die Bereitschaft, generell auf Hintergrundbeschallung zu verzichten. Mehrere sagten eine Thematisierung dieser Problematik in den entsprechenden Entscheidungsgremien zu. Alle Betriebe erklärten jedoch ihre Zustimmung, im Einzelfall – nach entsprechendem Ersuchen von Betroffenen – die Musik kurzfristig leiser zu stellen bzw. zur Gänze oder in der betroffenen Abteilung abzuschalten. Mit diesem Ergebnis mussten sich die BeschwerdeführerInnen letztlich zufriedengeben.